Interview zur Stadtratskandidatur Am 15. März 2020 finden in Bayern die Kommunalwahlen statt. Dr. Norbert Wolff (57), Kirchenhistoriker und Sozialpädagoge, kandidiert für den Traunreuter Stadtrat. Mit ihm sprach Carmen Carvajal. Du kandidierst bei der Kommunalwahl am 15. März auf der Stadtratsliste der Traunreuter Grünen. Wie ist es dazu gekommen? Der Ehrenvorsitzende der Traunreuter Grünen hat mich im vergangenen Sommer gefragt, ob ich kandidieren möchte. Ich habe mir zunächst Bedenkzeit erbeten und dann schließlich zugesagt. Ausschlaggebend war für mich, dass die derzeit im Stadtrat befindlichen Grünen eine sehr gute Arbeit machen. Als Mitarbeiter in der Jugendhilfe konnte ich mehr als einmal erleben, dass sie sehr kooperativ und realistisch eingestellt sind. Manche Leute haben sich gewundert, dass du ausgerechnet für die Grünen kandidierst. Ich persönlich sehe Schnittmengen zu allen demokratischen Parteien. Sicherlich gibt es bei mir auch eine konservative Seite. »Konservativ« heißt ja »bewahrend«, und ich möchte in der derzeitigen Situation dazu beitragen, die Schöpfung zu bewahren. Außerdem sehe ich mich mit meinen Themen »Jugend« und »Migration« bei den Grünen gut aufgehoben. Stichwort: »Schöpfung«! Du bist in der katholischen Kirche engagiert. Wie lässt sich das mit deiner Kandidatur vereinbaren? Aus meiner Sicht sehr gut. Papst Franziskus hat 2015 in seiner Enzyklika »Laudato si'« deutliche Worte zur Umweltproblematik gefunden. Als Christen tragen wir Mitverantwortung für den Erhalt der Schöpfung und wir sollen Konsumismus, Wegwerfmentalität und einen »selbstmörderischen« Lebensstil überwinden. Zugleich gilt es, die globale Gerechtigkeit im Blick zu behalten und den ärmeren Ländern des Südens nicht ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu verbauen. Die Jugend scheint dir besonders wichtig zu sein. In diesem Punkt hat mich der italienische Jugendseelsorger und Ordensgründer Giovanni Bosco geprägt, der von 1815 bis 1888 in Turin lebte. Ihm ging es darum, die jungen Menschen zu »guten Christen und guten Staatsbürgern« zu erziehen. Daher möchte ich mich für Lebenschancen für die Jugend einsetzen. Was bedeutet das konkret für dich? Zum einen geht es natürlich um das große Thema des Klimawandels. Hier ist es erforderlich, vor Ort verantwortungsbewusst zu handeln – und auch die Jugend stärker dazu zu motivieren. In Traunreut erlebe ich sehr engagierte Jugendliche, aber auch solche, die sich eher für Konsum interessieren. Zum anderen glaube ich, dass gerade im Traunreuter Zentrum Orte für junge Menschen fehlen, an denen diese ihre Freizeit verbringen können, ohne zu »stören«. Die Idee, dass bei einem Neubau der Volkshochschule und der Stadtbücherei auch ein Jugendcafé eingerichtet werden soll, begrüße ich ausdrücklich – ebenso die Idee, eine Streetwork-Stelle zu schaffen. Was können die Menschen in Traunreut angesichts des Klimawandels tun? Sie können eine nachhaltige Energienutzung praktizieren. Wo es möglich ist, können sie die Geothermie nutzen – oder auch Ökostrom. Sie können im Haushalt auf einen sparsamen Stromverbrauch achten, was sich auch positiv auf den Geldbeutel auswirkt. Sie können öfter auf das Autofahren verzichten und zu Fuß gehen beziehungsweise auf das Fahrrad oder den Öffentlichen Personennahverkehr umsteigen. Sie können Lebensmittel und andere Waren aus regionaler Produktion kaufen. Glaubst du, dass dies so einfach ist? Vieles kann jetzt schon getan werden, übrigens ohne dass die Lebensqualität darunter leidet. Und sicherlich müssen die Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden. Das ist ja gerade die Aufgabe der Politik auf den verschiedenen Ebenen. Dazu haben meiner Meinung nach die Traunreuter Grünen ein sehr beeindruckendes und überzeugendes Programm vorgelegt. Warum ist die Migration ein Thema für dich? Traunreut ist eine multikulturelle Stadt. Hier leben Menschen, die aus sehr unterschiedlichen Ländern stammen. Das ist eine Bereicherung, bringt freilich auch Herausforderungen mit sich. Ich denke unter anderem an die »Europamigranten«, die zu uns kommen, weil hier Arbeitskräfte fehlen. Mit der Arbeit allein ist es aber nicht getan. Zu einer gelingenden Integration gehören noch einige weitere Dinge wie beispielsweise die Förderung der Sprachkompetenz. Wichtig ist mir auch, dass Vereine, Gruppen, Kirchengemeinden die aus dem Ausland stammenden Menschen gut aufnehmen. Du hast selbst in gewisser Weise einen Migrationshintergrund. Meine Frau stammt aus Ecuador – und ich habe etwa ein halbes Jahr meines Lebens in ihrem Heimatland verbracht. Von daher weiß ich, dass eine gelingende Integration nur stattfindet, wenn beide Seiten sich anstrengen. Und ich weiß auch, dass die Anstrengungen sich lohnen. Noch ein Wort zu den »guten Staatsbürgern«! Für die jungen Menschen müssen weitere Möglichkeiten der Partizipation – gerade auch in der Lokalpolitik – geschaffen werden. Sie sollen die Erfahrung machen können, dass die Zeit, in der sie sich für die Gemeinschaft einsetzen, keine verlorene Zeit ist. Sie sollen auch die Erfahrung machen können, dass die Politik ihr Engagement für einen nachhaltigen Lebensstil würdigt und konkrete Schritte folgen lässt. Hast du dich eigentlich früher schon politisch engagiert? Ich habe mich 2009/2010 für das Volksbegehren und den Volksentscheid zum Nichtraucherschutz in Bayern eingesetzt und unter anderem Unterschriften gesammelt. Und die Sache ist erfolgreich ausgegangen!
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