Gedanken zum letzten Tag der diesjährigen Fastenzeit Im Kirchenjahr der katholischen Kirche gibt es einen Tag, der ganz anders ist als alle übrigen Tage. Nein, ich meine nicht den Ostersonntag und auch nicht den Karfreitag, sondern den Karsamstag. An diesem Tag wird keine Eucharistie gefeiert (die Osternacht gehört ja schon zum Ostersonntag) und – anders als in der Karfreitagsliturgie – wird nicht einmal die Eucharistie ausgeteilt (allenfalls als Wegzehrung für die Sterbenden). »Der Karsamstag ist ein stiller Tag, ohne liturgische Feier«, so heißt es im Messbuch. Er ist ein Tag der Ruhe: Grabesruhe! Der Karsamstag als Tag der (scheinbaren) Abwesenheit Gottes! Für viele Menschen ist das ohnehin kein Problem. Die einen vermissen Gott sowieso nicht in ihrem Leben. Die anderen trösten sich damit, dass ja an Ostern die Auferstehung gefeiert wird. Und schließlich gibt es »normalerweise« genug vorzubereiten: Hausputz, Autowäsche, Gartenarbeit, Kirchenputz, Gesangsproben, Osternester herrichten, Einkäufe und vieles mehr. Gottesbilder auf dem Prüfstand Die Grabesruhe, die (scheinbare) Abwesenheit Gottes nicht verdrängen und nicht überspielen, sondern einen Tag lang aushalten. Schon zu »Nicht-Corona-Zeiten« ist es eine Herausforderung für die Christen, die Andersartigkeit Gottes, seine Nicht-Verfügbarkeit zu akzeptieren. Tags zuvor, am Karfreitag, ermöglicht es die Dramatik der Leidensgeschichte, irgendwie mit dem ungeheuerlichen Geschehen umzugehen. Ein Jesus, der die Situation doch souverän annimmt und der auf seinem Weg konsequent voranschreitet! Wir haben eindrucksvolle Bilder vom Leiden und Sterben des Herrn im Kopf. Grausame Bilder, freilich! Aber immerhin sind es Bilder. Immerhin gibt es etwas Wahrnehmbares, Greifbares. Und am Karsamstag, da gibt es: gar nichts! »Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde« (Lk 24,21), so die enttäuschte Reaktion der Emmausjünger, die offensichtlich wieder auf dem Weg zurück in ihr altes Leben sind. Während sie noch die grausamen Bilder des Karfreitags vor Augen haben, müssen sie sich eingestehen, dass ihr bisheriges Bild von Jesus nicht ganz der Wirklichkeit entsprochen hat. Am Karsamstag, da stehen auch unsere Bilder von Jesus, da stehen auch unsere Gottesbilder auf dem Prüfstand. Der Karsamstag, wenn wir ihn ernst nehmen, lässt keinen Raum für vorschnelle Erklärungen – und noch weniger für Harmonisierungen. Egal, ob Menschen vom strafenden Gott sprechen oder auch schon die Osterfreude vorwegnehmen: Sie geben keine adäquate Antwort auf die Herausforderung des Karsamstags. Ein langer Karsamstag Und nun begehen wir also den Karsamstag in der »Corona-Zeit«. Fast scheint es, als wäre diese ganze Zeit, in der das öffentliche Leben beschränkt ist, ein langer Karsamstag. Eine Zeit ohne die »normalen« menschlichen Kontakte zu Angehörigen, Freunden, Nachbarn, Arbeitskollegen. Eine Zeit ohne öffentliche Gottesdienste, ja sogar ohne die öffentliche Feier der Auferstehung des Herrn. Und für manche Menschen ist es auch eine Zeit des Leidens. Die Menschen, die an und mit dem »Corona-Virus« sterben, sind ja nicht einfach »ältere Menschen mit Vorerkrankungen«. Es sind Großeltern, Eltern, Ehepartner, Geschwister, Freunde. Es sind Menschen, die nun im Leben ihrer Angehörigen fehlen. Oft ist ja nicht einmal eine angemessene Verabschiedung im familiären Bereich möglich – von der öffentlichen Trauerfeier ganz zu schweigen. Liebe über den Tod hinaus Nach der Grablegung Jesu sind »die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen«. (Joh 20,19) Die Frauen wagen sich als erste aus dem Haus und begeben sich zum Grab. Sie erweisen Jesus ihre Liebe über den Tod hinaus, indem sie ihn beweinen und seinen Leichnam salben. Womöglich haben sie das alttestamentliche Wort im Sinn: »Stark wie der Tod ist die Liebe.« (Hld 8,6) Und sie, die Liebenden, werden nach der Grabesruhe des Karsamstags die ersten Zeuginnen des Auferstandenen … |
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